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Corona-Betrug

Gedanken eines Strafverteidigers: Corona-Kreditbetrug gibt es (so) nicht!
Corona-Betrug gibt es nicht

Corona-Betrug

Die Auffassung, es gäbe keinen Corona-Betrug (Covid-19-Kreditbetrug), mindestens nicht in Fällen, in welchen bloss mit falschen Angaben im Kreditantrag zu hohe Kredite beantragt wurden, mag zunächst erstaunen.

So thematisieren die Medien doch aktuell unter den Schlagwörtern «Corona-Betrug» oder auch «Corona‑Betrüger» regelmässig solche Straffälle. Beispielsweise berichtete die Berner Zeitung über einen 35-jähriger Bauunternehmer, welcher im März 2021 im Kanton Luzern wegen unrechtmässigen Bezuges eines Covid-19-Kredits in Höhe von 110’000 Franken wegen Betruges und Urkundenfälschung zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt wurde (vgl. Artikel auf Berner Zeitung online vom 24.03.2021). Weiter wurde gerade letzte Woche der Inhaber der «Mein Arzt»-Kette vom Bezirksgericht Bülach wegen mehrfachen Betrugs und mehrfacher Veruntreuung verurteilt (vgl. Artikel auf Nau.ch online vom 17.06.2021).

Warum nach Ansicht des Sprechenden im ersten genannten Fall Betrug vorliegt, im zweiten jedoch nicht, wird nachfolgend erläutert.

Arglist als Voraussetzung

Die Arglist ist zentrales Element des Betrugstatbestandes gemäss schweizerischem Strafrecht. Das Bundesgericht hält dazu Folgendes fest:

Mit dem Tatbestandsmerkmal der Arglist verleiht das Gesetz dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung wesentliche Bedeutung. Arglist scheidet aus, wenn der Getäuschte den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Dabei sind die jeweilige Lage und die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall entscheidend. Rücksicht zu nehmen ist namentlich auf geistesschwache, unerfahrene oder aufgrund von Alter oder Krankheit beeinträchtigte Opfer oder auf solche, die sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen. Auf der anderen Seite sind besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Opfers in Rechnung zu stellen, wie sie etwa im Rahmen von Kreditvergaben Banken beigemessen wird. Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung erfordert die Erfüllung des Tatbestands indes nicht, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehren trifft. Arglist scheidet lediglich aus, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Getäuschten, sondern nur bei Leichtfertigkeit, welche das betrügerische Verhalten des Täters in den Hintergrund treten lässt. Die zum Ausschluss der Strafbarkeit des Täuschenden führende Opferverantwortung kann nur in Ausnahmefällen bejaht werden (vgl. BGE 135 IV 76 E. 5.2).

Als der Bundesrat am 25. März 2020 die Notverordnung zur Gewährung von Krediten für KMU erliess, stand eine rasche und unbürokratische Hilfestellung im Vordergrund (vgl. SR 951.261). Bereits damals war jedoch klar absehbar, dass diese Hilfestellung auch ausgenutzt werden wird. Experten warnten bereits im Mai 2020 davor, dass bis zu 10% der gewährten Corona-Kredite zweckentfremdet werden könnten (vgl. Artikel auf Finnews.ch vom 29.05.2020).

Es dräng sich folglich die Frage auf, ob die Täuschung mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit vermeidbar gewesen wäre. Dies muss klar bejaht werden. So schlug beispielsweise die Handelszeitung bereits im April 2020 vor, ein Tausendstel der gesamthaft ausgesprochenen Kreditsumme für stichprobenweise Prüfungen zu verwenden und die Kreditnehmer zu verpflichten, Ihre Bücher jederzeit für unterjährige Prüfungen zu öffnen (vgl. Artikel auf Handelszeitung.ch vom 25.04.2021).

Das Prüfkonzept des Staatssekretariates für Wirtschaft SECO vom Juni 2020 sieht vor, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung der Eidgenössischen Finanzkontrolle Mehrwertsteuer- und Verrechnungssteuerdaten zur Verfügung stellt (vgl. SECO, Missbrauchsbekämpfung: Prüfungskonzept – COVID-19 Solidarbürgschaften vom 23.06.2020). Anhand dieser Daten hätten auch kreditgebende Banken Falschangaben zur Umsatzhöhe sehr leicht plausibilisieren und ungerechtfertigte Kreditvergaben so verhindern können. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Informationen zwar zur Verfolgung von Missbrauch, aber nicht zur Verhinderung von Missbrauch verwendet werden konnten.

Politisches Versagen

Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Politik es unterlassen hat, das geforderte Mindestmass an Vorsicht im Vergabeprozess von Covid-Krediten anzuwenden bzw. den Banken ein solches vorzuschreiben. Wie vorher anhand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgezeigt, wird betreffend Arglist gerade von Banken eine besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung unterstellt. Bei der Vergabe von Corona-Krediten mussten Banken diese geforderte Sorgfalt jedoch nicht anwenden. So waren und sind die Kredite einerseits durch eine Staatsgarantie abgesichert, andererseits setzte die Politik die Kreditvergabe nicht nur unbürokratisch, sondern geradezu unkontrolliert durch. So wurden einfache Vorsichtsmassnahmen -ganz unbürokratisch- ausser Acht gelassen. Damit dürften die Kreditnehmer mit der Angabe zu hohen Umsatzes in den meisten Fällen nicht arglistig gehandelt haben. Dass allenfalls eine «Notlage» der Gesellschaft ausgenützt wurde, dürfte dabei für die Annahme der Arglist ebenfalls nicht genügen. Es wäre auch in dieser «Notlage» möglich gewesen, grundlegende Vorsichtsmassnahmen und Kontrollprozesse zu implementieren.

Mit der fehlenden Arglist wäre damit der Tatbestand des Betruges nicht erfüllt, ausser der Täter habe in einer anderen Form arglistig gehandelt, beispielsweise indem er falsche Angaben im Kreditantrag mit gefälschten Urkunden unterlegt hätte. Es wird interessant sein, wie höhere gerichtliche Instanzen, insbesondere das Bundesgericht das Thema rechtlich bewerten werden. In Hinblick auf eine Verfolgung von «Covid-Betrügern» existieren genügend andere Strafbestimmungen, wie allenfalls ungetreue Geschäftsführung oder Veruntreuung bei zweckfremder Mittelverwendung. Zudem wird nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung mit Busse bis 100’000 Franken bestraft, wer vorsätzlich mit falschen Angaben einen Kredit erwirkt oder die Kreditmittel nicht zur Sicherung der geltend gemachten Liquiditätsbedürfnisse verwendet.

Aufweichung des Betrugstatbestandes ist abzulehnen

Entsprechend gibt es ausreichende gesetzliche Mittel, dem gesellschaftlichen Druck der Verfolgung von «Kredit-Betrügern» nachzukommen. Eine rechtlich unscharfe bzw. falsche Anwendung des Betrugstatbestandes ist damit abzulehnen.

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