Polizeiliche Vorladung oder Strafanzeige erhalten? Was jetzt zu tun ist.
Der Erhalt einer polizeilichen Vorladung oder die Information über eine Strafanzeige ist einschneidend. Es ist der Moment, in dem Sie offiziell erfahren, dass Sie Partei in einem Strafverfahren sind. Unsicherheit und Stress sind normale Reaktionen. Wichtig ist jetzt, ruhig und überlegt zu handeln.
Ihre Rolle im Strafverfahren: Was bedeutet die Vorladung?
Auf der Vorladung steht, welche Behörde Sie vorlädt (z.B. Kantonspolizei, Staatsanwaltschaft) und in welcher Rolle Sie einvernommen werden sollen. Diese Rolle bestimmt Ihre grundlegenden Rechte und Pflichten.
Beschuldigter: Ihnen wird eine konkrete Straftat vorgeworfen. Als Beschuldigter haben Sie umfassende Rechte, allen voran das Recht, die Aussage vollständig zu verweigern und einen Anwalt beizuziehen (siehe dazu unseren Artikel zum Recht auf Aussageverweigerung).
Auskunftsperson: Sie gelten (noch) nicht als beschuldigt. Eine Einvernahme als Auskunftsperson erfolgt aber oft dann, wenn die Behörden Sie als möglichen Täter oder Beteiligten nicht ausschliessen können. Aussagen in dieser Rolle können später vollumfänglich gegen Sie verwendet werden, falls Sie zum Beschuldigten werden. Vorsicht ist geboten.
Zeuge: Sie haben möglicherweise eine Straftat beobachtet. Als Zeuge sind Sie grundsätzlich zur Aussage verpflichtet, dürfen diese aber verweigern, wenn Sie sich selbst oder nahe Angehörige belasten würden.
Die Checkliste: Unmittelbare erste Schritte bei einer Vorladung
- Informationen einholen: Klären Sie, worum es genau geht, falls dies aus der Vorladung nicht klar hervorgeht. Fragen Sie am Telefon sachlich nach dem konkreten Vorwurf oder dem Thema der Einvernahme.
- Kontaktdaten notieren: Bei telefonischer Vorladung sollten Sie sich den Namen, die Funktion und die Telefonnummer der Person, die Sie kontaktiert hat, sowie das Datum und die Uhrzeit des Anrufs notieren.
- Keine spontanen Aussagen: Machen Sie am Telefon oder bei einem unangekündigten Besuch der Polizei keinerlei Angaben zur Sache. Jede Äusserung wird dokumentiert. Bleiben Sie höflich, aber bestimmt.
- Terminverschiebung anfragen: Bei einer Vorladung sind Sie grundsätzlich verpflichtet, persönlich zu erscheinen. Sie müssen aber nicht den erstbesten Termin wahrnehmen. Bitten Sie frühzeitig um eine Verschiebung, um sich vorab rechtlich beraten zu lassen. Dies wird in der Regel gewährt.
- Anwalt kontaktieren: Nehmen Sie unverzüglich Kontakt mit einem spezialisierten Anwalt auf, noch bevor Sie mit den Behörden weiter kommunizieren oder zu einem Termin gehen.
Die Rolle des Anwalts in der Anfangsphase
Die Aufgabe des Anwalts in diesem frühen Stadium ist es, Ihre Rechte zu sichern und die Grundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. In einer Erstberatung wird er:
- den Sachverhalt mit Ihnen abklären.
- den Ablauf des Strafverfahrens und Ihre konkrete Situation erläutern.
- Ihre Rechte und Pflichten verständlich erklären.
- die unmittelbaren Risiken basierend auf Ihren Schilderungen einschätzen.
- mit Ihnen das weitere Vorgehen besprechen, insbesondere die Frage, ob Sie aussagen sollen oder nicht.
Anwaltliche Beratung: Wann ist sie nötig?
Die Antwort ist einfach: Bei jedem Kontakt mit Strafverfolgungsbehörden als Beschuldigter oder Auskunftsperson sollten Sie sich vorgängig beraten lassen. Eine unüberlegte Aussage am Anfang kann später kaum mehr korrigiert werden und den Ausgang des gesamten Verfahrens negativ prägen.
Die Kosten für diese Beratung müssen Sie in vielen Fällen zunächst selbst tragen. Ob später ein Anspruch auf eine amtliche (unentgeltliche) Verteidigung besteht oder die Kosten bei einem Freispruch vom Staat übernommen werden, sind Fragen, die im weiteren Verlauf des Verfahrens geklärt werden. Die Erstinvestition in eine Beratung schützt Sie jedoch vor potenziell weitaus kostspieligeren Fehlentscheidungen.
Die erste strategische Entscheidung: Aussagen oder Schweigen?
Bevor irgendwelche Details des Falles erörtert werden, steht eine fundamentale Entscheidung an: Machen Sie eine Aussage oder verweigern Sie diese (soweit Ihre Rolle dies zulässt)?
Eine Aussage machen: Alles, was Sie sagen, wird protokolliert und wird Teil der Akten. Diese Aussagen können als Beweismittel für oder gegen Sie verwendet werden. Eine einmal gemachte Aussage zurückzuziehen oder wesentlich zu ändern, ist sehr schwierig und mindert die Glaubhaftigkeit Ihrer Aussagen massiv.
Die Aussage verweigern: Als Beschuldigter ist dies Ihr gutes Recht und darf Ihnen -mit gewissen Ausnahmen- nicht negativ ausgelegt werden. Sie gewinnen dadurch Zeit und ermöglichen es Ihrem Anwalt, zu einem späteren Zeitpunkt – idealerweise nach erfolgter Akteneinsicht – eine umfassende Verteidigungsstrategie zu entwickeln, ohne durch frühere Aussagen gebunden zu sein.
Fazit
Die Vorladung ist in der Regel der Moment, in dem Sie erfahren, dass Sie Partei in einem Strafverfahren sind. Ab diesem Zeitpunkt zählt jedes Wort und jede Handlung. Insbesondere als Beschuldigter ist die erste Weichenstellung – aussagen oder schweigen – von entscheidender Bedeutung für den gesamten weiteren Verlauf. Handeln Sie nicht allein.
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FAQ - Häufige Fragen: Polizeiliche Vorladung und Strafverfahren
Ja, Sie sind gesetzlich verpflichtet, zur mitgeteilten Uhrzeit bei der vorladenden Behörde zu erscheinen (vgl. Art. 205 Abs. 1 StPO). Wenn Sie den Termin ignorieren, können Sie polizeilich vorgeführt oder sogar mit einer Ordnungsbusse bestraft werden.
Eine Verschiebung des Termins ist jedoch oftmals möglich. Voraussetzung ist in der Regel, dass Sie frühzeitig mit der Behörde Kontakt aufnehmen und den Wunsch nach einer vorgängigen Besprechung mit einem Anwalt äussern.
Das hängt von Ihrer Rolle ab:
Als Beschuldigter: Ja, uneingeschränkt. Sie haben das Recht, die Aussage komplett zu verweigern. Aus Ihrem Schweigen dürfen Ihnen keine negativen Schlüsse gezogen werden.
Als Auskunftsperson: In der Regel haben Sie ebenfalls das Recht, die Aussage zu verweigern. Eine Ausnahme besteht, wenn Sie als Privatkläger (also als geschädigte Partei) am Verfahren teilnehmen; dann müssen Sie aussagen.
Als Zeuge: Sie müssen grundsätzlich aussagen, es sei denn, Sie würden sich selbst oder nahe Angehörige belasten.
Idealerweise sofort, nachdem Sie die Vorladung erhalten haben und bevor Sie zum Termin gehen. Die wichtigsten Weichen in einem Strafverfahren werden ganz am Anfang gestellt. Eine unüberlegte Aussage aus Nervosität kann kaum mehr korrigiert werden. Eine Erstberatung ist eine kleine Investition, um folgenschwere und potenziell sehr viel teurere Fehler zu vermeiden.
Das Recht auf Akteneinsicht ist ein zentrales Verteidigungsrecht, aber der praktische Zugang ist entscheidend:
Ohne Anwalt: Sie als Privatperson dürfen die Akten meist nur vor Ort auf einem Polizeiposten oder bei der Staatsanwaltschaft einsehen. Sie erhalten in der Regel keine Kopien zum Mitnehmen; falls ausnahmsweise Kopien vor Ort angefertigt werden können, sind diese kostenpflichtig. Dadurch haben Sie kaum die Möglichkeit, die Unterlagen in Ruhe zu analysieren.
Mit einem Anwalt: Ihr Anwalt erhält die Akten in Kopie oder elektronisch in die Kanzlei geschickt. Nur so ist eine gründliche Analyse der Beweislage und die Ausarbeitung einer echten Verteidigungsstrategie möglich. Ihr Anwalt macht aus einem theoretischen Recht ein schlagkräftiges Instrument.
Wichtig: Die Akteneinsicht wird oftmals erst nach der ersten Einvernahme gewährt.
Ja, eine mündliche oder telefonische Vorladung durch die Polizei ist gesetzlich zulässig (vgl. Art. 206 Abs. 1 StPO). Auch wenn es weniger formell wirkt, ist eine solche Vorladung genauso verbindlich wie eine schriftliche. Es gelten die exakt gleichen Ratschläge: Bleiben Sie ruhig, machen Sie am Telefon keine Aussagen zur Sache und bitten Sie darum, die Vorladung schriftlich zu bestätigen oder notieren Sie sich zumindest alle wichtigen Details (Name des Beamten, Behörde, Grund der Vorladung).
Matthias Fricker
Rechtsanwalt und Partner bei Fricker und Füllemann Rechtsanwälte
Studium an der Universität St. Gallen mit Abschluss Master in Law (M.A. HSG in Law) im Jahr 2012, eingetragen in Anwaltsregister des Kantons Zürich, Mitglied des Zürcher Anwaltsverbandes.
Fabian Füllemann
Rechtsanwalt und Partner bei Fricker und Füllemann Rechtsanwälte
Studium an den Universitäten St. Gallen und Zürich mit Abschluss Master of Law UZH im Jahr 2013, eingetragen in Anwaltsregister des Kantons Zürich, Mitglied des Zürcher Anwaltsverbandes.