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Fehlerhafte IV-Gutachten: Bald neue Chance durch Revisionsgrund?

Fehlerhafte IV-Gutachten: Bald neue Chance durch Revisionsgrund?

Politikum fehlerhafte IV-Gutachten: Bald neue Chancen für Betroffene? Was der geplante Revisionsgrund bei IV-Gutachten wirklich bedeutet.

Stellen Sie sich vor, Ihr Antrag auf eine IV-Rente wird abgelehnt – basierend auf einem Gutachten, das sich später als Teil eines systematischen Pfuschs herausstellt. Bisher hatten Betroffene kaum eine Chance, solche Entscheide wieder aufzurollen. Eine von National- und Ständerat Mitte 2025 angenommene Motion stösst nun die Schaffung eines neuen «Revisionsgrunds» an. Doch was bedeutet das, und ist die Hoffnung berechtigt?

Was ist ein «Revisionsgrund»? (Einfach erklärt)

Ein rechtskräftiger Entscheid einer Behörde oder eines Gerichts ist normalerweise endgültig. Ein Revisionsgrund ist so etwas wie ein Notschlüssel, der es erlaubt, einen abgeschlossenen Fall ausnahmsweise doch noch einmal zu öffnen.

Die Motion 25.3006 verlangt, genau so einen neuen Notschlüssel im Gesetz zu verankern: Wenn die Eidgenössische Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) einer Gutachterfirma wegen schwerwiegender und systematischer Mängel die Zulassung entzieht, soll das künftig ein offizieller Grund sein, um rechtskräftige IV-Entscheide neu zu prüfen.

Der politische Hintergrund: Jahrelange Kritik als Auslöser

Die Motion entstand nicht im luftleeren Raum. Der politische Druck für eine solche Lösung hat sich über Jahre aufgebaut:

  • Massive Kritik an Gutachten: Fehlerhafte IV-Gutachten sind seit Jahren ein grosses Politikum. Immer wieder werden sie als mangelhaft, widersprüchlich oder einseitig kritisiert. Skandale wie jener um die Gutachterfirma PMEDA haben exemplarisch gezeigt, welche existenziellen Folgen fehlerhafte Expertisen für Betroffene haben können.

  • Forderungen von Verbänden: Organisationen wie Procap und Inclusion Handicap fordern seit Jahren wirksame Mechanismen, um die Rechte von Versicherten bei fehlerhaften Gutachten zu stärken und Korrekturen zu ermöglichen.

Dieser anhaltende Druck führte dazu, dass das Parlament den Handlungsbedarf anerkannte und die Motion annahm.

Warum dieser neue Revisionsgrund so wichtig wäre

Bisher mussten Betroffene mühsam beweisen, dass das Gutachten in Ihrem Fall fehlerhaft ist. Das ist oftmals extrem schwierig.

Der in der Motion vorgeschlagene Ansatz ist anders:

  • Der Fokus läge auf dem Systemfehler: Nicht der einzelne Versicherte, sondern die Aufsichtskommission würde feststellen, dass eine Gutachterstelle grundsätzlich unsauber gearbeitet hat.

  • Automatische Wirkung: Diese Feststellung sollte als offizieller Revisionsgrund gelten. Betroffene könnten sich darauf berufen und müssten nicht mehr alles allein beweisen.

Dieser Mechanismus soll endlich Gerechtigkeit für jene schaffen, die Opfer von skandalösen Gutachterfirmen wurden.

Die grosse Sorge: Ein Notschlüssel, der nicht ins Schloss passen könnte

Obwohl die Motion angenommen wurde, ist der Weg bis zum fertigen Gesetz noch lang. Juristen und Fachverbände warnen, wie der Beobachter berichtet, vor zu viel Optimismus. Die Gefahr ist, dass der neue Revisionsgrund bei der Ausarbeitung des Gesetzes mit so hohen Hürden verbunden wird, dass er kaum zur Anwendung käme.

  • Zu hohe Anforderungen: Kritiker befürchten, dass die Kriterien für «schwerwiegende und systematische Mängel» so streng definiert werden, dass die Hürde in der Praxis kaum je erreicht wird.

  • Die Frage der Rückwirkung: Die grösste Angst ist, dass enge Fristen oder andere Klauseln im zukünftigen Gesetz die Anwendung auf Altfälle verhindern.

Fazit: Ein Auftrag an die Politik, aber noch kein Gesetz

Die Annahme der Motion ist ein starkes politisches Signal. Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, ein Gesetz zu schaffen, das die Rechte von Versicherten stärkt.

Ob dieser Auftrag aber in ein wirksames Gesetz mündet, wird sich erst zeigen. Alles hängt nun von der konkreten Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs und den finalen Debatten im Parlament ab. Für Betroffene ist es ein wichtiger Etappensieg, aber noch lange nicht der Abschluss des Kampfes um eine fairere Praxis.

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FAQ - Häufige Fragen zum geplanten Revisionsgrund bei fehlerhaften IV-Gutachten

Nein, das ist leider noch nicht möglich. Die angenommene Motion ist erst der Startschuss für den Gesetzgebungsprozess. Der Bundesrat muss nun ein Gesetz ausarbeiten, das dann wieder vom Parlament beraten wird. Erst wenn dieses Gesetz definitiv beschlossen ist und in Kraft tritt, können Betroffene einen Antrag stellen.

Ein Revisionsgrund ist wie ein Notschlüssel für ein eigentlich abgeschlossenes Verfahren. Er erlaubt es, einen endgültigen Entscheid nochmals zu prüfen, weil ein schwerwiegender, neuer Umstand aufgetaucht ist. Das Parlament will nun genau so einen neuen Grund schaffen: die offizielle Feststellung, dass eine Gutachterstelle systematisch schlecht gearbeitet hat. Das Gesetz dafür muss aber erst noch ausgearbeitet werden.

Gemäss dem geplanten Gesetz wäre das die Aufgabe der Eidgenössischen Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB). Sie ist die offizielle und unabhängige Aufsichtsstelle. Nur wenn diese Kommission einer Gutachterstelle wegen gravierender Mängel die Zulassung entziehen würde, käme der neue Revisionsgrund zur Anwendung.

Nein, das ist ein wichtiger Punkt. Der neue Revisionsgrund gibt Ihnen keine Garantie auf eine Rente oder andere Leistungen. Er verschafft Ihnen lediglich das Recht auf eine neue, faire Prüfung Ihres Falles mit einem neuen Gutachten. Das Ergebnis dieser Prüfung ist völlig offen.

Geduld ist im Moment das Wichtigste, aber Sie können sich vorbereiten. Es ist ratsam, Ihre Unterlagen zu sammeln (IV-Entscheid, Gutachten, Verfahrensakten) und sich frühzeitig bei einer spezialisierten Rechtsberatungsstelle (z. B. von Procap, Inclusion Handicap oder einem Anwalt) zu informieren. Konkrete rechtliche Schritte sind aber in der Regel erst möglich, wenn das Gesetz definitiv in Kraft ist. Wann dies der Fall ist, ist aktuell noch nicht absehbar.

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Matthias Fricker

Rechtsanwalt und Partner bei Fricker und Füllemann Rechtsanwälte
Studium an der Universität St. Gallen mit Abschluss Master in Law (M.A. HSG in Law) im Jahr 2012, eingetragen in Anwaltsregister des Kantons Zürich, Mitglied des Zürcher Anwaltsverbandes.

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Fabian Füllemann

Rechtsanwalt und Partner bei Fricker und Füllemann Rechtsanwälte
Studium an den Universitäten St. Gallen und Zürich mit Abschluss Master of Law UZH im Jahr 2013, eingetragen in Anwaltsregister des Kantons Zürich, Mitglied des Zürcher Anwaltsverbandes.

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